Als ich das erste Mal in Japan war, hatte ich nicht nur Sprachbarrieren, die ich überwinden musste, sondern auch Hygienebarrieren. Nicht, dass ich nicht geduscht hätte oder nicht wusste, was man mit einer Zahnbürste anfängt. Aber die japanische Vorstellung von Hygiene und körperlicher Sauberkeit ist ein ganz anderes Level.
Allgemeine Baderegeln
1. Man gehe niemals eingeseift in das Wasser.
2. Man nehme niemals Seife oder Shampoo mit ins Wasser, um sich dort einzuseifen.
3. Man reinigt sich gründlich außerhalb des Beckens/Wanne und wäscht alle Seifenreste ab.
4. Für die Grundreinigung sitzt man auf einem Plastikschemel vor dem Duschkopf – Achtung auf Badegäste neben und hinter einem, wenn man öffentlich badet!
5. In das Becken nimmt man keine Textilien mit. Ein kleines Handtuch ist erlaubt, das legt man sich auf den Kopf.
6. Bitte nicht die Temperatur unterschätzen! Im Notfall eine Ruhepause einlegen und sich abkühlen.
7. Nach einem Besuch eines öffentlichen Bades empfielt sich entweder gekühlte Fruchtmilch oder Ramune ラムネ zu trinken.
8. Wenn möglich badet man jeden Tag – alles andere kann schnell als unhygienisch abgestempelt werden.
Ofuro お風呂
In jedem Haus und fast jeder Wohnung gibt es ein Bad. Dieses Bad ist jedoch nicht so ausgestatt wie unserers: Waschbecken, vielleicht das Klo und eine Dusche oder Badewanne. Die japanische Badezimmer sind grundsätzlich zweigeteilt: Es gibt einen Vorraum, in dem man das Waschbecken findet, eventuell die Waschmaschine und Aufbewahrungsmöbel für Handtücher und Waschzubehör. Ebenfalls gibt es ein Regal oder einen Korb, in dem man die eigenen Klamotten legen kann. Oder man wirft sie gleich in die Dreckwäsche oder Waschmaschine.
Dann folgt das eigentliche Bad. Ein Raum mit einer Art Badewanne und einem Bereich für die Brause. Man findet meistens einen kleinen Plastikhocker aber immer ein oder zwei Plastikschalen. Eine Ablage, auf der Shampoo, Conditioner und Seife stehen und manchmal auch ein Spiegel. Die Badewanne ist meistens mit einer Plastikabdeckung geschützt und muss garnicht lang sein – sie ist vor allem tief. Das ermöglicht also ein richtiges Sitzen in der Badewanne. Hier eine kleine Auswahl an Ofuro-Bildern, wie sie typischerweise in den japanischen Häusern und Wohnung zu finden sind:
Bei den Bädern in Privatwohnungen oder -häusern gibt es eine sehr praktische Einrichtung: das automatische und ferngesteuerte Bedienen der Badewanne. Über einen kleinen Apparat, wie eine Fernspracheeinrichtung, kann man Temperatur, Wassermenge und Zeitpunkt des Bads einstellen. Es befindet sich immer ein Apparat im Bad, um so überhaupt die Badewanne benutzen zu können. Nach Wunsch können in der Küche oder im Arbeitsraum Ferbedienungen angebracht werden. Und nachdem die freundliche Frauenstimme einem mitgeteilt hat, dass das Bad nun fertig wäre, kann man entspannt im warmen Wasser den Abend ausklingen lassen.
Es gibt vor allen in Gästehäusern oder Ryokans oftmals etwas größere Bäder, das mehreren Gästen gleichzeitig das Baden erlaubt. Also eine kleiner Variante der öffentlichen Bäder Sento 先頭. Oftmals sind diese traditionell japanisch eingerichtet und Holzstrukturen finden sich vermehrt sowie der Vorhang mit dem Zeichen für heißes Wasser: „ゆ“.
Sento – 銭湯
Das Sento ist das öffentliche Bad, wie es in jeder Stadt und in jedem Viertel zu finden ist. Manche Apartments haben kein eigenes Bad, daher ist das abendliche „Spazierengehen mit Schüssel und Shampoo“ ein normaler Bestandteil. Oft sind diese öffentlichen Bäder garnicht als solche zu erkennen, da sie zwischen den unzähligen Häusern gequetscht sind, mit einer unscheinbaren Schiebetür und einem nur für Wissende erkennbaren Zeichen. Es gibt sehr gut besuchte und eher kleinere, weniger frequentierte Bäder.
Aber alle haben den fast selben Ablauf. Man zieht beim Eintreten die Schuhe aus und verstaut sie in einem Schließfach. An der Kasse zahlt man den entsprechenden Preis und kann Shampoo, Seife oder Handtuch ebenfalls kaufen – manchmal vergisst man es, möchte die großen Riesenpackungen nicht mitschleppen oder ist auf Durchreise. Viele haben jedoch auch einen Automaten, an dem man auf verschiednen Tasten das jeweilige „Menü“ – so kann man es fast nennen – auswählen und bezahlen kann. Dabei kann man „Shampoo“ oder „Conditioner“ ebenfalls auswählen. Dafür erhält man eine kleine Quittung, die man dann wiederum an der Kasse vorlegt, die einem dann einen Spindschlüssel bei Vorlage gibt.
In den meisten ist es strikt nach Männern und Frauen getrennt, sodass man auf die richtige Richtung achten sollte, die man einschlägt. Im Vorraum, der eine große Anzahl an geräumigen Spinden vorweist, kann man sich einen Korb für die Kleidung schnappen. Ist kein Korb vorhanden, faltet man die Kleidung einfach so in den eigenen Spind hinein. Und zwar alles – im Baderaum ist keine Kleidung erlaubt!
Zu dem Vorraum gibt es noch einiges zu sagen: Es können sich Massagestühle, Getränkeautomaten, Fernseher und Sitzbänke darin befinden. Immer findet man Spiegel, Föhn, Proben wie Gesichtscreme, Gesichtswasser, Haarpflege oder Fußcremes. Man sieht hier oftmals kleine Gruppen von Frauen sitzen, reden und ein wahres Beautyprogramm absolvieren. Ich lag meistens im Massagestuhl, der mit den deutschen Varianten in keinster Weise zu vergleichen ist. 150 Yen für 10 Minuten, mein Po wurde mitmassiert und ich konnte Arnold Schwarzenegger auf Japanisch bestaunen – wunderbar!
Im Baderaum gibt es je nach Größe des Sento einige Reihen mit Brausen und Spiegel. An der Tür befinden sich die Plastikschüsseln und die Schemel sowie oftmals ein Trinkwasserhahn. Es kann ein, zwei oder sogar mehr Becken geben – mit Sprudel, mit einem kleinem Elektroschockbereich und mit verschiedenen Wassersorten . Es gibt alles – ich hab meistens mit anderen Damen in Wasser über die Elektroschocks gelästert oder halbschlafend die Wärme genossen.
Manche Bäder sind wahre Kunstwerke, haben oftmals großflächige Bilder an den Wänden – bisher habe ich immer Fuji-san als Motiv gesehen. In einem öffentlichen Bad in Naoshima das „I ♥ Yu“ heißt, war das gesamte Bad von dem Künstler Ohtake Shinro ausgestattet, sodass die Becken mit Zeitunsmosaik versehen waren, die erotische Momente festhielten. Und allgemein war es sehr farbenfroh – an der Kasse gab es Badesets und ich konnte nicht anders, als das kleine Badehandtuch mitzunehmen, das den doppeldeutigen Namen des Sentos aufgedruckt hat: „I love yu“ heißt ausgesprochen entweder „I love you“ oder auch „I love hot water“. Denn „Yu“ – ゆ oder 湯 – heißt „heißes Wasser“ und steht für öffentliches Bad, da diese traditionell aus Quellen heißen Wassers entstanden sind.
Dieses Handtuch musste daher sein – perfekt für Rückenschrubben, Haartrocknen oder sommerlicher Kopfbedeckung…
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