Wer in Kyoto ist, der wird den Kyomizudera besuchen. Den bekanntesten und ältesten Tempel in Japan, der mit seiner legendären Plattform Lieblingsmotiv aller Kyoto-Touristen ist. Auch für Japaner. Wer dann etwas abseits von dem großen Tempel ist, wird einen Weg entdecken, der mit eineigen steilen Stufen auf die Rückseite des Tempels führt. Dort ist der „Liebes-Bereich“ wie ich ihn so nenne. Und mitten auf dem Weg thronen zwei große Steine, jeweils mit einem heiligen Band versehen: Die Liebessteine.
Es heißt, wer von einem Stein zum anderen mit verschlossenen Augen und ohne Hilfe findet, wird die wahre Liebe finden und nicht alleine bleiben. Und tatsächlich waren Jungs und Mädels da, die mit Freunden oder Mutter/Vater den waghalsigen Weg von Stein 1 zu Stein 2 unternahmen. Manchmal mit etwas mehr Hilfe und manchmal mit etwas Augengeblinzel und manchmal ganz ohne Hilfe. Wer es schaffte und irgendwie schaffte es jeder (mehr oder weniger) wurde laut gejubelt und „Kareshii dekiru yo!“ gerufen oder eben „Kanojo dekiruyo!“.
Also machte ich mich daran und sagte Frau Umino Bescheid, dass sie mir helfen soll den Weg von Touristen frei zu halten, damit ich niemanden niederrenne.
Es war eine lustige Sache mit verschlossenen Augen über eine Fläche zu gehen, die voll mit Menschen ist, von denen kaum einer auf einen zeitlich blinden Menschen wie mich achten würde. Aber ich dachte mir „Wenn schon mit Schmackes“ und marschierte wild entschlossen los, pfefferte ab und an ein „Daijobudesuka Umino-san?“ und stiefelte unbeirrt weiter.
Bis ich mit meinem rechten Fuß schmerzhaft auf etwas sehr hartes traf und fast vornüber gefallen wäre. Der Jubel und die „Omedetou“-Rufe sagten mir, dass ich angekommen war: Am Liebesstein Nummer 2. Ich hatte es geschafft. Und sehr glücklich gestrahlt.
Jetzt warte ich noch immer, dass irgendwann meine Liebe mir vor die Füße läuft. Aber es gibt einem ein schönes Gefühl, man ist nicht ganz machtlos, was das eigenen Glück im Leben betrifft.Wer in Kyoto ist sollte die Liebesstein-Strecke auf sich nehmen und seine eigene Zielstrebigkeit und den eigenen Mut auf die Probe stellen.