Laufschuhe: Weil es kein zuviel gibt

Woran erkennt man einen Läufer? Eine Frage, die so überflüssig scheint wie Justin Bieber’s Lieder. Und was sich reimt, das stimmt. Die Antwort auf die gestellte Frage ist deswegen so einfach, weil Läufer eine Sache gemeinsam haben: die Laufschuhe. Und damit exkludiere ich die Barfuß- und Nacktläufer, weil sie – nun ja – eben keine Laufschuhe haben. Dafür Hornhaut deluxe, die eine Karriere als Fakir recht attraktiv erscheinen lässt. Erst Läufer, dann Fakir, später erster Barfußhampler auf dem Mars. Ich gratuliere herzlichst. Trotzdem wird er eines nie erleben können, dürfen, müssen: die Liebe, die Läufer ihren Laufschuhen entgegen bringen. Schweiß, Blut, Wasser, Dreck und Hitze geht wortwörtlich in den Schuh, um ihn zu dem zu machen was er ist: ein Laufwerkzeug, das seinesgleichen sucht.

Betritt man die Wohnung eines Läufers passiert häufig eines von drei Dingen: Erstens, man stolpert über einen Berg an Laufschuhen, die im Flur/Eingang liegen oder aus dem überfüllten Schuhschrank quillen. Zweitens erblindet man dank der Medaillensammlung die an der Wand hängt und die das Licht reflektiert, neben der liebevoll zugespickten Wand voller Startnummern. Und drittens kann es sein, dass man in der Wohnung vergeblich nach normaler Kleidung sucht, sondern zwischen Laufrucksäcken, Laufjacken, Softshelljacken, Laufshorts, Lauftights, Baselayer, Laufsocken und Buffs einen Sitzplatz sucht. Und weil nicht alle dekorativ aktiv sind und ihre Sportkleidung überall verteilen, ist das Laufschuh-Merkmal das sicherste Merkmal überhaupt. Laufschuhe in der Wohnung und für einen Läufer gewinnt der Gastgeber schon einmal eine Menge Sympathiepunkte. Natürlich bis der Gastgeber den Mund aufmacht oder anfängt die Schuhe als seine Müll-runterbring-Schuhe zu bezeichnen. Oftmals sucht man dann schnell das Weite und hektisch die Haustür. Kleiner Tipp: Merkt euch, wo der Ausgang ist, damit die Flucht nicht lächerlicher Weise in der Abstellkammer endet.

Das Schöne an Laufschuhen ist die Tatsache, dass es kein „zuviel“ gibt. Nur ein „zuwenig“. Denn, wenn wir mal ehrlich sind zu uns selbst und zu allen anderen, gibt es nur deswegen Laufschuhe auf dem Markt wie Sand am Meer, weil wir sie wollen. Brauchen. Dringlich benötigen. Eine Frage wie „Du willst noch ein paar Laufschuhe kaufen? Hast du nicht schon drei Paar?“ wird genauso verwirrt angenommen, wie der Fragestellende einen anschaut. Es ist, als würde man fragen, warum man sich denn noch ein Buch kauft – man hätte doch schon eines daheim. Oder ein weiteres Fahrrad, eines würde doch ausreichen. Oder ein weiteres Stück Kuchen. Oder ein zweites Laufshirt. Oder oder oder. Ihr versteht, worauf ich hinaus möchte, oder? Laufschuhe sind mehr als nur Schuhe. Es gibt sie für unterschiedlichstes Terrain, in unterschiedlichsten Farben, Passformen, Außenmaterial, Sprengung, Preisklassen, Gewicht. Wie sollte man all diese Unterschiede ignorieren?

Nach einer Weile filtert sich schon ein gewisses Muster heraus. Manche lieben Blau, andere bevorzugen Pink. Manche haben Füße, die in Salomon glücklich wie ein Schnitzel laufen und andere wiederum greifen lieber zu adidas. Der eine läuft gerne mit viel, der andere mit wenig Sprengung und wieder ein anderer will gar keine haben. Aber trotzdem: es gibt verschiedene Blautöne, manchmal probiert man gerne auch andere Marken aus, für bestimmte Laufbedingungen benötigt man plötzlich komplett neue Schuhe und die Liste wächst unaufhörlich. Wie soll das alles ein Schuh abdecken? Zumal man den Schuh, den man gerne läuft, irgendwann auch mal „ausgelaufen“ hat. Was spricht also gegen einen rechtzeitigen Neukauf? Was spricht gegen ein paar Trailschuhe, gegen ein paar Minimalschuhe, gegen die neuen NewBalance Schuhe, gegen Schuhe mit Goretex-Außenmaterial… was spricht gegen ein zweites, drittes, viertes Paar Schuhe? Würden es die Füße einem nicht eher danken? Sind wir nicht verpflichtet unseren Füßen das bestmögliche Material verfügbar auf dem Markt zu bieten? Sind unsere Füße und Beine nicht das, was uns Läufer ausmacht? Kann ein falscher Schuh, nur weil man gespart hat, nicht auch katastrophale Auswirkungen auf Haltung, Rücken und Gelenke haben? Darf man Laufschuhe nicht auch zum Hobby dazurechnen, sodass man auch hier Leidenschaft und Feuer zeigen darf – nicht nur beim Laufen selbst? Darf man nicht auch wenigstens einmal im Leben auf Technologie geil sein, ohne, dass es einem gleich seltsam ausgelegt wird? Und wenn man schon nicht im echten Leben ein Fashionopfer ist, warum darf man das dann nicht zumindest als Läufer sein?

Und weil nichts gegen ein weiteres Paar Schuhe spricht, wirklich absolut garnichts, habe ich mir heute die neuen Inov8 Roclite geleistet. Weil ich es mir wert bin, meine Füße es mir wert sind und neue Laufschuhe einfach das Herz glücklich machen. Vor allem mit der Vorfreude auf die gemeinsamen Abenteuer mit ihnen.

6 Antworten zu “Laufschuhe: Weil es kein zuviel gibt

  1. Nach dem Lesen der ersten Zeilen habe ich schon vermutet, dass du bei mir eingebrochen bist. Woher weiß sie das alles??
    Gut – jetzt bin ich beruhigt. In doppelter Hinsicht. Alles ist gut. Im Grunde genommen ticken wir alle gleich. Vielleicht sollten wir die Blog-Stöckchen aka Blogparade aus dem letzten Jahrzehnt wieder aufleben lassen und alle über unsere Sucht bloggen…

    P.S.: Ich werde es nie verstehen, wieso man nur ein paar Laufschuhe haben kann, und das dann nach knapp 1000km entsorgt um sich dann das Nachfolgemodell zu kaufen.

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