Wenn das Laufen zum Arschloch wird: Langeweile & Enttäuschung

Ich liebe das Laufen. Keine einfache Geburt, wenn man die ersten Läufe so betrachtet, bei denen ich mir sicher war jetzt und in allernächster Zukunft qualvoll sterben zu müssen. Zu meiner Überraschung bin ich noch immer lebendig und schaffe mittlerweile etwas mehr als 2 Kilometer oder sogar 5. Eine Entwicklung, die am Anfang kinderleicht ist. Ein Fortschritt, der am Anfang beinahe geschenkt ist – wenn man nur durchhält und weiterläuft. Sich nicht von der Atemnot beeindrucken lässt oder von den immensen Fußproblemen, die dann in Laufeinlagen endeten und ein blasenfreies Training ermöglichten. Dann gab’s mal so ein bissl Probleme mit dem Knie, das nicht so ganz wollte wie ich. Erinnert mich an mein Hirn, das nie so ganz das wiedergab, was ich in der Klausur wiedergeben wollte. Oder die Kontrolle über mein Mundwerk, die ist auch so eine, die nicht mir gehorcht sondern eher eigenständig funktioniert. Ich laufe seit 2 Jahren und liebe das Laufen.

Bis ich nach München zog. Denn auf einmal waren die schönen Trails, die Sonnenuntergänge beim Laufen, der federnde Waldboden und die Ruhe im Wald weg. Kein Bestandteil mehr meines alltäglichen Laufens. Dafür müsste ich mit U-Bahn und Tram fahren. Dafür müsste ich quer durch die Stadt einige Kilometer laufen. Dafür muss ich viele Passanten, MTBler oder Touristen in Kauf nehmen.

Und auf einmal wurde das Laufen, zusätzlich noch zum inneren Schweinehund, zur Überwindung. Mein Herz schlägt höher, wenn ich an den Basetrail denke. An den Andechs Trail Run. An den Erlanger Reichswald. An die Ausflüge, die ich mir manchmal gönne, die meistens in die bayrischen Bergen gehen. Mein Herz sackt mir in die Hose, wenn ich an die Laufrunden im Hirschgarten denke. An das Durchpflügen der Nymphenburg Trails, die ausgelatscht, dreckig und eingesperrt sind. An die Ampeln, die rauchenden Menschen vor einem, die Straßen voller Autos und Gestank.

Jedesmal, wenn ich mich dazu bringe doch laufen zu gehen, dann bumpert mein Herzl vorfreudig auf das Gefühl währenddessen und danach. Und meine Enttäuschung ist meist immer sehr sehr groß. Ich bin nicht zufrieden, nicht glücklich, nicht entspannt, nicht in mir ruhend und sonst was Laufen alles in mir auslösen könnte. [füge hier esoterischen Begriff ein] Und das ist scheiße. Und Laufen ist zum Arschloch geworden.

erlangen1

Wenn ich manchmal in Erlangen bin, dann freu ich mich auf das Laufen – weil ich weiß, was auf mich wartet. Ein riesiger Wald, der an einen anderen Wald angrenzt und dann weitergeht in  wiederum wieder einen anderen Wald. Es ist ein Spielplatz für alle Streckenlängen und wäscht mir jedes Mal den Kopf rein. Nach zwei Läufen brennt die Leidenschaft wieder ordentlich, mein Herz ist voll und die Füße scharren ungeduldig: Mehr! Längere Strecken, Herausforderungen, tagtägliches Laufen und Glücklichsein. Aber pustekuchen, Laufen ist ein Arschloch, daher geht’s nach dem zweiten Mal Laufen jedes Mal wieder zurück nach München.

Nach 2 Jahren Laufen möchte ich mehr. Langweile ich mich mit 5km Laufen, werde ich quasi erst richtig warm bei Kilometer 7 und komme in den Takt. Ebenso beim Trailrunning: Gib mir ein paar Kilometer und ich bin warm gelaufen und leer geschwitzt. Ich möchte gerne jeden Tag laufen, ich möchte gerne am Wochenende wunderschöne lange Strecken laufen und mich vergessen. Ich möchte sooft es geht in die Berge fahren und dort hoch und runter hecheln. Ich will ich will ich will!

Aber ich krieg das Kotzen, wenn ich an das Laufen hier in München Laim denke. An die Fahrt, die vor mir liegt, um dorthin zu kommen, wo ich schöner laufen könnte. An das fehlende, spontane Rausgehen und dem Sonnenuntergang entgegen rennen oder im Morgenlicht durch den kühlen Wald hüpfen.

Ich liebe das Laufen, aber das Laufen ist ein Arschloch. Für mich ist Laufen kein Abnehm-Programm, keine Diät-Unterstützung, kein „Sexy-Po“-Zusatz, kein Young-Urban-Lifestyle, kein Trend und keine billige Bewegungsbeschäftigung. Für mich ist Laufen mehr und München schafft es gerade wunderbar dieses „mehr“ in Enttäuschung umzuwandeln.

Daher habe ich nur folgende Möglichkeiten:

  • mir einen Laufplan aufstellen, an den ich mich strikt zu halten habe
  • am Wochenende zu laufen und unter der Woche zu radeln
  • unter der Woche gezwungenermaßen in der Stadt zu laufen und am Wochenende schöne Lauftouren/-strecken als Belohnung
  • einen fliegenden Teppich kaufen und damit ein Vermögen verdienen und dann auf’s Land ziehen
  • Job kündigen und Einsiedlerin mit einem Paar Laufschuhe und Sport-BH werden
  • momentane Teleportation erfinden und kurz um 6 Uhr morgens zum Laufen ins Karwendelgebirge teleportieren (hach…)

Es wird wohl das erste werden inkl. Laufbelohnungen am Wochenende – oder? Erforschen wir mit dem Bayernticket mal Bayern. Bekämpfen wir das Arschloch und holen uns die ehemalige große Liebe zurück. Das geht wohl nur mit brachialer Struktur…

10 Antworten zu “Wenn das Laufen zum Arschloch wird: Langeweile & Enttäuschung

  1. Und genau darum möchte ich NIE in einer Großstadt leben. Was für ein Glück, dass ganz viele Menschen aber genau das wollen, und hier auf dem Land schön Platz ist. 😉 Ne, klat, es gibt berufliche Zwänge und so, aber viele wollen die Stadt um der Stadt willen. Kapier ich nicht. Von deinen verschiedenen Möglichkeiten gefällt mir die letzte am besten. 🙂

    • Haha, die Teleportation? Ja, das wär was 🙂
      Ich hätte gerne so ein Zwischending, in Erlangen war das auch möglich daher bin ich mir sicher, dass das nochmal woanders und in der Nähe der Berge geht. Bis dahin werkel ich an der momentanten Teleportation, kann ja nich so schwer sein… 😀
      Wo wohnst du denn?

      • In einer schwäbischen Kleinstadt auf der Baar mit mehr Freikirchen als Einwohnern und ganz viel grüüüüüüüün. 8)

  2. Laufplan…Nein!
    Einfach versuchen das Beste daraus zu machen.
    Abwechslungsreiche Strecken in der City suchen (Stichwort #Citytrail, da gibt’s ne App von Salomon) oder mit dem Rad die ersten Kilometer überwinden und dann laufen; quasi Bike and run.
    Und am Wochenende dann mal so richtig die Sau rauslassen!

    Das wird schon…nur keinen Plan aufstellen, keinen Zwängen erliegen…dann macht das Laufen irgendwann keinen Spaß mehr.

    • Ich seh ja wo mich das „das Beste daraus machen“ hingebracht hat 😉
      Die App von Salomon ist ganz nett, aber die Strecken kenn ich und die machen mich nicht wirklich an. Außerdem antwortet wie immer niemand von Salomon auf meine Frage ob und wann es denn neue Strecken für München gäbe.
      Wenn ich unter der Woche nicht laufe, dann wird das nix mit dem Sau rauslassen am Wochenende… bin dann untrainiert.

  3. klar ist Trailen in den Bergen nicht zu überbieten- aber wie wäre es, an der inneren Einstellung zu feilen? Morgens um 5 schläft bestimmt auch München und die Strassen und Wege sind nicht vollgestopft. Ein morgendlicher Lauf durch stille Wohngebiete, mit dem Duft von bereits backenden Bäckern in der Nase kann auch was haben.

    • Versucht, ich schlaf dann aber wieder ein und komm zu spät zur Arbeit. Um 5 Laufen, wenn ich um 8.30 aus dem Haus zur Arbeit muss… tricky. Ab 6.30 ist draußen schon echt viel los, vor allem auf den Straßen und Wegen.
      Die Idee find ich aber gut, nur wohn ich dafür wirklich in der falschen Gegend von München, ich werd’s nochmal versuchen!

  4. Pingback: Ischiaslogik im Großstadtwahn | Nach der Kurve wird's flacher!·

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