Darf ich eine kleine Bitch beim Laufen sein?

Ja. Aber sowas von Schwester! Würde wohl der zukünftige Weltherrscher sagen und da muss ich ihm zustimmen. Ich laufe schließlich, begebe mich aus der Gemütlichkeitszone heraus und stürze mich in Stadt, Wald, Verkehr, Wiesen und Feierabendjoggerverkehr. Ich leiste etwas, also zusätzlich zu dem, was ich eh den ganzen Tag schon geleistet habe. Ich leiste also mehr als alle anderen und zeige mich noch in aller Verwundbarkeit. Ich darf eine Bitch sein, hell yeah.

Aber definieren wir mal Bitch. Laufend an einer Reihe Autos vorbei hüpfen und mit dem Haustürschlüssel „I was here“ reinritzen ist vielleicht nicht so prima. Für die Autos versteht sich, für mich wär das eventuell, je nach Tageslaune, ein passendes Ventil. Für irgendwas. Ich laufe auch nicht durch die Gegend und brülle keuchend, rot im Gesicht und Schweißtropfen von mir schleudernd alle möglichen Passanten mit „Ey die Hose hat dir doch dein Mudda gekauft, oda?“ und „Ey Arschgesicht, such dir lieber n Homeoffice-Job sonst kriegen noch mehr Kinder Albträume!“ begrüßend. Das ist ein anderes Niveau Bitch. Ich bin auch nicht die Bitch, die sich denkt, dass sie unantastbar, einmalig und fabulös wäre. Das mache ich einmal und dann ist die Wagenkolonne an der Laimer Kreuzung schon über mich drüber gerollt und ich werde vom Asphalt geschabt. Laufsteg? Nein, Laufstrecke – das ist etwas anderes.

So. Welche Art von Bitch bin ich nun? Ich würde sagen, ich bin die, die sich das Bitch-Sein verdient hat. Ich verwende das bitchige Getue als Bestrafung anderer Menschen, die Mist gebaut haben, bauen oder zu der obrigen Kategorie Bitch gehören. Bei Männern sind es dann Vollspackos, bitte auf die Unterscheidung achten. Dass ich überhaupt das Gen zum Bitch-Sein habe, hat mir die Stadt und ihre netten Bewohner offenbart. Im Wald hoppelt mir nur ein Hase vor die Füße, ich kreische überglücklich „Hasiiii“ und das Tier fällt stockstarr ob meines hohen Kreischtons um. Nein. Hasi hoppelt davon. Störche staksen herum. Gänse zetern über mir. Rehe kauen starr auf mich blickend auf einem Büschel Grün herum. Das sind perfekte Laufbegleiter.

In der Stadt kommt man sich aber näher. Ungewollt, niemals gewollt – leider. Wenn ich also auf einem Gehweg laufe, sehr sehr rechts, um klar zu machen, dass auch auf diesem einen Gehweg im Tunnel eine gewisse Art von Ordnung herrscht, an die sich auch alle halten, dann verhalte auch ich mich tadellos. Ich laufe langsam, presche nicht dahin und laufe auch nicht japsend im Slalom. Wenn also zwei kleine 14jährigen Bitches, mit der Handtasche im Armgelenk, die Treggings so eng, dass das Blut in ihre nicht vorhanden Brüste gepusht wird, Make-Up in Massen im Gesicht, um ein einheitliches Bitchbild zu formen, und als Kinder der Meinung sind, der Welt so richtig hardcore zu zeigen wie hardcore sie sind, dann… ja, dann werde ich auch zur Bitch. Und wenn die dann auf mich zugehen, die volle Breite einnehmen, sehen dass ich auf sie zugelaufen komme, keinen Platz machen und mich bitchy „Na was willste machen, hä?“ anschauen, dann renne ich eben diese Tussi einfach nieder. Sorry. 40kg kleine Stangerlgöre gegen 65 muskulöse Kirsche im Renntempo. Ich hör sie jetzt noch jammern. Aber sie lebt. Leider.

Oder wenn ich mir die Freiheit beim Laufen nehme und einen einmaligen Sonnenuntergang fotografiere. Und eine blonde durchschnittliche Spaziergängerin mir entgegen kommt und ihr Augen bedeckt, dann guck ich schon verwirrt. Wenn sie dann auch noch stehen bleibt, immer noch die Augen bedeckt, und genervt und bissig „Kannst du damit aufhören? Ja?“ sagt, dann lasse ich noch verwirrter die Kamera sinken. Bis ich verstehe, dass sie meinte ich fotografiere sie oder fotografiere die Landschaft und bin eine solch erfolgreiche Fotografin, dass dieses Bild mit ihr drauf dann einmal um den Globus gehen wird. What. The. Fuck. Ich lache hysterisch, Schweiß von den 6 Kilometern in schwüler Abendsonne rinnt mir von der Stirn.Mein Herz bumpert gesund. Und meine Klappe spricht von selbst, das Bitch-Sein hat die Sicherheitsvorkehrungen überlistet. „Du denkst ich fotografier dich? Mädl, wennst a bissl schee wärst, dann vielleicht, aber so net…“ Kirschener Running-Bitch-Stempel ins Gesicht.

Natürlich meckert sie, würd ich auch. Aber mann, piss mich nicht an du eingebildete Nudel, ich laufe hier und leiste mehr als du! Sicherlich den ganzen Tag schon! Ich kämpfe mich durch! Ich hab meine paar Minuten jeden Tag, in denen ich bitchig sein darf. Du, meine Liebe, bist es leider 24 Stunden und 7 Tage die Woche. Geh mal lieber laufen, vielleicht hilft dir das ja. Geht ihr mal alle laufen bitte. Dann wär alles um einiges entspannter.

Wer mich kennt, weiß, dass ich lieb bin. Durch und durch lieb. Können diese braunen Kirsch-Augen lügen? Eben. 

3 Antworten zu “Darf ich eine kleine Bitch beim Laufen sein?

  1. ohman, ich musste wirklich grinsen bei diesem post 😀 es ist SO wahr… hatte grad vor ein paar tagen wieder so eine situation: bin eine sehr enge treppe hochgesprintet und mir kamen ca 10 12-16-jährige entgegen (in 3er reihen… auf so einer engen treppe)…
    nach 3maligen aufforderungen, mir doch BITTE platz zu machen, auf die sie nicht reagierten, streckte ich meinen ellenbogen aus und führte meinen sprint fort. grosses gepöbel und geschrei, aber sie hattens verdient 😀

  2. Huiiiii! Dir begegne ich lieber nicht, wenn du schlecht gelaunt bist… Aber ich kann’s verstehen. Darf leider von Berufs wegen keine Kinder plattmachen… leider… 😉

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